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1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
Seit seiner „Pionierphase“ Ende der 70er Jahre hat der Bereich der Geographischen Informationsysteme bzw. Geo-Informationssysteme (GIS) eine rasante Entwicklung genommen, die sowohl durch die allgemeine Veränderung zu einer Informationsgesellschaft auf der Nachfrageseite, als auch durch die Fortschritte der Informationstechnik auf der Angebotsseite begünstigt wurde. Dabei läßt sich eine chronologische Abfolge feststellen, in der die qualitativen Ansprüche an ein GIS als Modellierungswerkzeug stetig gewachsen sind (HUBER/SCHNEIDER 1999, S. 26):
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„data-view“: GIS ist ein intelligenter, digitaler Atlas, der große Datenmengen über die Erdoberfläche speichern kann und diese in Form von Karten wieder ausgibt.
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„Analysis and processing“: GIS dient neben der Datenerfassung auch dem Analysieren dieser Daten, um dadurch beispielsweise räumliche Verteilungsmuster aufzuzeigen.
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„model based view“: GIS ist ein Instrument, um Modelle im Sinne von Repräsentationen der Realwelt aufzubauen. Diese Sicht integriert sowohl die Datenerfassung und -sammlung als auch die datenbasierte Analysen, legt aber den Schwerpunkt darauf, die Realität in einem Computer nachzubilden, um durch Manipulation und Simulation Rückschlüsse auf das Original ziehen zu können.
Für konventionelle GIS-Lösungen ist zu konstatieren, daß die Modellierungsfähigkeiten als limitiert anzusehen sind, so daß Anwender wie auch Hersteller neue Lösungen suchen. Als eine Ursache dieses Mangels wird das Datenmodell angesehen, auf dem diese Systeme basieren. Damit ist die Komplexität natürlicher Systeme nicht abbildbar, da der GIS-Anwender gezwungen ist, sein Anwendungsproblem mit Hilfe einer restriktiven Menge nicht-räumlicher Konstrukte zu formulieren. Die Informatik kennt für diese Problematik den Begriff des „impedance mismatch“ und beschreibt damit die Ineffizienz der Systementwicklung, wenn unterschiedlich strukturierte Konzepte auf den einzelnen Abstraktionsebenen zum Einsatz kommen: Informationen können bei jeder Transformation verloren gehen oder verdeckt werden. Das Problem wird vor allem dann evident, wenn hochstrukturierte Objekte externer Modelle in implementierungsfähige Module des Computers „übersetzt“ werden müssen. Dies betrifft in noch größerem Umfang die Modellierung temporaler Daten in einem GIS, die bislang nur unvollständig darstellbar sind (CROSBIE 1996, S. 384).
Ein aus der Informatik stammendes Konzept stellt das Objektorientierte Paradigma dar, das seine Ursprünge in den Programmiersprachen hat, aber inzwischen auch auf anderen Ebenen der Informationsverarbeitung zum Einsatz kommt. In der Software-Entwicklung selbst hat sich dieses Prinzip inzwischen durchgesetzt und prozedurale Sprachen in weiten Bereichen verdrängt. Für die Datenmodellierung in Informationssystemen und insbesondere in GIS muß aber festgestellt werden, daß sich hier objektorientierte Methoden noch im Forschungsstadium befinden.
Dies gilt in verstärktem Maße für die Integration von Zeit in GIS, die allenfalls theoretisch diskutiert wird, für die aber nach Kenntnisstand des Verfassers noch keine kommerzielle Implementierung angeboten wird. Dies ist umso schwerwiegender, als in den raumbezogenen Wissenschaften der zeitliche Bezug als essentiell aufgefaßt wird (vgl. FLIEDNER 1987; SCHMITHÜSEN 1964; LESER 1980).
Vor diesem Hintergrund soll in der vorliegenden Arbeit unter Verwendung objektorientierter Konzepte ein Ansatz formuliert werden, mit dessen Hilfe geographische Fragestellungen auch in ihrer temporalen Dimension abzubilden sind. Dabei sollen neben Aspekten der Modellierung in einem GIS auch praxisrelevante Merkmale unterschiedlicher Implementierungsstrategien betrachtet werden.
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