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2 Das Datenmodell in der Geoinformatik

2.1 Begriffe und Definitionen

Geographische Informationsysteme zeichnen sich durch ihr weites Anwendungsgebiet aus (vgl. Tabelle 1). Dies hat zur Folge, daß die zum Teil erheblich voneinander abweichen­den Ansprüche und Verwendungsarten zu unterschiedlichen Belegungen des Begriffes „GIS“ führen.

Tabelle 1: GIS-Anwendungsgebiete - Synonyme


Bodeninformationssystem
Datawarehouse-Informationssystem
Geo-Informationssystem
Geologisches Informationssystem
Historisches (Geo-) Informationssystem
Hochwasserinformationssystem
Landinformationssystem
Landschaftsinformationssystem
Leitungsinformationssystem
Marketinginformationssystem
Ökologisches Informationssystem
Raumbezogenes Informationssystem
Rauminformationssystem
Raumordnungsinformationssystem
Regionales Informationssystem
Regionalstatstisches Informationssystem
Topographisch-kartographisches Informationssystem
Umweltinformationssystem
Verkehrsleitinformationssystem

Quelle: SWIACZNY/OTT 1999, S. 76

BILL/FRITSCH (1994) liefern eine Definition, die zum einen die Komponenten eines GIS als auch dessen Funktionen in der raumbezogenen Informationsverarbeitung erfaßt:

„Ein Geo-Informationssystem ist eine rechnergestütztes System, das aus Hardware, Software, Daten und den Anwendungen besteht. Mit ihm können raumbezogene Daten digital erfaßt und redigiert, gespeichert und reorganisiert, modelliert und analysiert sowie alphanumerisch und graphisch präsentiert werden.“ (BILL/ FRITSCH 1994, S. 5)

Folglich kann man unter einem GIS sowohl ein konkretes GIS-Projekt verstehen, z.B. in Form eines kommunalen technischen Informationssystems, als auch die eigentliche Soft­ware. Eine stärker an der Software orientierte Definition stammt von WILKINSON u.a. (1986):

„A Geographic Information System (GIS) can be defined as a system containing a spatial database representing aspects of the cultural and physical environment of a particular geographic region together with procedures for analysing combinations of attributes and generating graphical or statistical products.“ (WILKINSON u.a. 1986, S. 1-1, zitiert nach SAURER/ BEHR 1997, S. 10)

Demnach können unter funktionalen Aspekten vier Einheiten eines GIS voneinander ab­gegrenzt werden: die Dateneingabe, die Datenverwaltung , die Datenmanipulation sowie die Präsentation, wobei die Datenverwaltung nochmals in die Unterbereiche Daten­modellierung, Datenstrukturierung und Datenspeicherung zu unterscheiden ist (SHEKHAR u.a 1997, S. 154; LEIBERICH 1997 S.8).

Abbildung 1: GIS-Funktionsbereiche



Quelle: Nach LIEBIG 1997, S. 10, verändert

Aus den oben gegebenen Definitionen und der Darstellung in Abbildung 1 kann abgeleitet werden, daß der Datenverwaltung in einem GIS eine zentrale Bedeutung zukommt. Die Qualität dieser Komponente besitzt entscheidenden Einfluß darauf, wie aus einem Daten­bestand innerhalb eines Informationssystem höherwertige Informationen abgeleitet wer­den können. Wie wichtig eine adäquate Datenmodellierung ist, zeigt sich auch in der Ko­stenstruktur eines GIS-Projektes. Hier wird die Kostenrelation zwischen Hardware, Soft­ware und Daten mit 2:3:10 angegeben. Ein ähnliches Bild liefert die Gültigkeitsdauer der einzelnen Komponenten (vgl. Tabelle 2), so daß hiermit diese Bedeutung nur unterstrichen werden kann (BILL/ FRITSCH 1994, S.3f.).

Tabelle 2: Gültigkeitsdauer für Komponenten von Informationssystemen

Hardware

3-5 Jahre

Software

7-15 Jahre

Daten

25-70 Jahre

Quelle: BILL/ FRITSCH 1994, S. 4

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema „GIS“ in erster Linie unter dem Aspekt der Datenverwaltung, d.h. GIS wird hier in erster Linie als ein räumliches Daten­banksystem aufgefaßt. Als räumliche Datenbanksysteme bezeichnet man die spezielle Fom von Datenbankmanagementsystemen, die in ihrem Datenmodell und ihrer Abfra­gesprache räumliche Datentypen, wie Punkte, Linien und Polygone, anbieten, sowie effi­ziente Strategien zur Verarbeitung dieser Typen in ihrer Implementierung bereitstellen. Dies betrifft vorrangig die räumliche Indizierung der Daten, so daß Selektionen und Join-Operationen anhand räumlicher Eigenschaften durchgeführt werden können (GÜTING 1988, S. 507).

Die verwendete Terminologie in der GIS-Literatur zur Beschreibung räumlicher Phäno­mene in der Realwelt als auch ihre Repräsentation in einem Informationssystem ist äußerst uneinheitlich. Häufig wird das Begriffspaar „Feature“ und „Objekt“ zur Abgrenzung zwi­schen Realwelt und Datum verwendet (ANSI 1997a, S.7), andere Quellen bezeichnen mit „Geoobjekt“ sowohl die realen als auch die in einem GIS abgebildeten räumlichen Be­zugseinheiten, während „Feature“ einen Eintrag in der Datenbank bezeichnet (LANGE 1997, S. 15ff.). Die Terminologie gewinnt an Komplexität, wenn der zeitliche Bezug Be­rücksichtigung findet. LANGRAN (1992, S. 48ff.) unterscheidet hier zwischen Objekten, die durch ihre Position im Raum definiert sind und deren nicht-räumlichen Attribute vari­ieren, sowie Features, die anhand ihrer Identität festgelegt werden und deren Form und Position sich im Zeitablauf ändern können. Demnach sind Features einer thematischen Ebene zuzuordnen, während Objekte vorrangig durch ihre temporal-geometrische Kom­ponente fixiert sind. VOIGTMANN (1997, S. 50f.) folgt prinzipiell dieser Argumentation, verwendet die beiden Begriffe aber genau umgekehrt.

In der vorliegenden Arbeit soll folgende Terminologie verwendet werden: Entitäten bzw. Entities sind Dinge der Realwelt, die einzeln identifiziert und anhand bestimmter Eigen­schaften charakterisiert werden können, sowie für die Bearbeitung einer geographischen Fragestellung von Bedeutung sind. Die Entitäten können wiederum aus anderen Entitäten zusammengesetzt sein, diese Komponenten müssen aber von einer anderen Art sein. Bei­spielsweise ist ein Haus nicht in mehrere Häuser aufteilbar, aber es kann in Räume unter­teilt werden. Dabei müssen Entitäten nicht zwangsläufig dinglicher Natur sein, sondern können ebenfalls abstrakte Begriffe wie z.B. Vorgänge oder Prozesse darstellen. Features sind die digitale Repräsentation dieser Entities in einem GIS und werden durch ihre Attributwerte beschrieben. Besitzen Features einen räumlichen Bezug, so wird dieser durch Geo-Objekte dargestellt. Geo-Objekte beschreiben Ausschnitte eines Gesamtraumes (z.B. der Erdoberfläche) und werden bei Bedarf explizit in räumliche Objekte ohne zeit­liche Festlegung und räumlich-temporale Objekte unterschieden.