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3.5 GIS-spezifische Realisierungen
3.5.1 CAD-basierte Lösungen
Die einfachste Lösung zur Realisierung eines GIS stellen Erweiterungen bestehender CAD-Applikationen dar. Systeme wie AutoCAD-Map von Autodesk, CADdy-Info von Ziegler oder MicroStation von Bentley-Systems bieten die Möglichkeit, graphische Elemente mit Sachdaten zu verknüpfen und damit zusätzliche alphanumerische Informationen zu einem Objekt zu hinterlegen. Obwohl diese Systeme nur sehr beschränkte analytische Fähigkeiten aufweisen, sind sie vor allem im ingenieurtechnischen und planerischen Bereich durchaus verbreitet, da der CAD-Kern die Herstellung von präzisen Planunterlagen nach formalen Richtlinien mit Detailzeichnungen erleichtert. Aufgrund der mangelnden Unterstützung weiterführender Konzepte zur Informationsverarbeitung und –auswertung ist aber ihre Einordnung als Geographisches Informationssystem durchaus umstritten (BILL/ FRITSCH 1994, S. 39f.).
3.5.2 Hybride Systeme
Relationale Datenbanken haben sich zwar zur Speicherung umfangreicher alphanumerischer Daten bewährt, aber die Verwaltung hochstrukturierter Daten wie Vektorgeometrien ist mit einem enormen Performanzverlust verbunden, da diese Strukturierung der Daten beim Abruf durch das System wieder hergestellt werden muß. Das führte bei den GIS-Herstellern dazu, alle geometrischen und topologischen Daten in einem proprietären Dateisystem abzulegen, das programmtechnisch hinsichtlich eines effizienten Zugriffs optimiert werden kann, während die Sachdaten in einem herkömmlichen RDBMS verwaltet werden. Dabei werden die Geometrien in Layern organisiert, denen eine Tabelle mit thematischen Attributen zugeordnet ist (BATTY 1992, S. 453f.). Das bekannteste Beispiel für diese hybride Datenverwaltung ist das GIS ARC/INFO von ESRI.1 Die Integration beider Systeme erfolgt über eine eineindeutige Verknüpfung zwischen Geometrie- und Sachdaten. Jedem graphischen Element im Dateisystem wird ein Identifizierer (ID) zugeordnet, der in einer Tabelle des RDBMS als Primärschlüssel fungiert (HEALY 1991, S. 260f.; ZIPF 1996, S. 30f.).
Für diese GIS-Typen wird häufig der Begriff „geo-relationale Systeme“ verwendet, um die Verbindung zwischen einem „geographischen“ Dateisystem und einer relationalen Datenbank anzudeuten. Dieser Praxis soll hier nicht gefolgt werden, da dieser Begriff in der Theorie räumlicher Datenbanken bereits durch GÜTING vorbelegt ist, und dort eine Erweiterung des Relationalen Modells um räumliche Datentypen und Operatoren beschreibt (vgl. GÜTING 1988).
Die Architektur der hier dargestellten Systeme wirft aber eine Reihe von Problemen auf. Die Aufteilung in einzelne thematische Layer hilft zwar, die Komplexität der Realwelt durch Zerlegung zu reduzieren, andererseits erzeugt es ein hohes Maß an Redundanz bei den geometrisch-topologischen Daten, sofern diese in einzelnen Dateien entsprechend der Layerstruktur abgelegt werden. Topologische Datenstrukturen berücksichtigen zwar, daß eine Grenzlinie zwischen zwei Polygonen zu beiden Flächen gehört und speichern diese Linie nur einmal, aber dieser Bezug gilt nur lokal in der einzelnen Datei. Wird diese Linie in einem anderen thematischen Kontext ebenfalls verwendet, muß sie nochmals in einem zusätzlichen Layer gespeichert werden. Bildet z.B. ein Fluß die Grenze zwischen zwei administrativen Einheiten, so wird der Fluß in einem Layer als Linie dargestellt, und dieselbe Linie wird zur Grenzdarstellung in einer anderen Datei ebenfalls gespeichert.
Deutlich gravierender sind die Nachteile der hybriden Datenhaltung hinsichtlich der Integrationsfähigkeit Geographischer Informationssysteme in eine zeitgemäße Infrastruktur informationsverarbeitender EDV-Systeme. Diese fassen GÜNTHER/ LAMBERTS (1994, S.17f.) folgendermaßen zusammen:
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Die Aufteilung in zwei getrennte Datenverwaltungsysteme hat zur Folge, daß typischerweise keine einheitliche Abfragemöglichkeiten bestehen. Während die relationale Komponente thematische Abfragen durch eine SQL-Syntax unterstützt, werden räumliche Abfragen durch systemspezifische Lösungen in der graphischen Benutzeroberfläche formuliert.
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Ein DBMS stellt in einer standardisierten Form Informationen zur Struktur des Datenbestandes zur Verfügung. Beispielsweise können die in der Datenbank vorhandenen Tabellen sowie die Verknüpfungen zwischen diesen ermittelt werden. In den hybriden Lösungen sind derartige Informationen in einem proprietären Format abgelegt, die nur von dem System selbst ausgewertet werden können.
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In einer Mehrbenutzerumgebung fehlen häufig die in DBMS selbstverständlichen Merkmale wie selektive Zugriffskontrolle und paralleler Betrieb. Hybride Lösungen sind i.d.R. als Einzelplatz-Lösungen konzipiert und erschweren dadurch die gemeinsame Nutzung von Datenbeständen über Systemgrenzen hinweg.
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Das für die räumlichen Daten verwendete Dateisystem bietet keinerlei Mechanismen zur Aufrechterhaltung der Datenkonsistenz im Fehlerfall. Ereignet sich während eines Editiervorgangs ein Systemfehler, so ist nicht eindeutig geregelt, welche Änderungen bereits in den Datenbestand aufgenommen wurden, und welche durch den „Crash“ verloren gingen. Moderne DBMS bieten hierzu das Transaktionskonzept, wonach entweder alle logisch miteinander verknüpften Änderungen übernommen werden oder die Datenbank im Fehlerfall auf den vorherigen Zustand zurückgesetzt wird.
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In großen Organisationen werden heute zunehmend verteilte Datenbanken verwendet, wobei sich der gesamte Datenbestand physisch aus mehreren Datenbanken zusammensetzt, die auf unterschiedlichen Rechnersystemen abgelegt sind. Diese Aufteilung bleibt transparent, d.h. für den Benutzer stellt sich der Datenbestand als eine Datenbank dar. Die dabei notwendigen Synchronisierungstechniken stehen bei einfachen Dateisystemen nicht zur Verfügung.
3.5.3 Integrierte Systeme
Aufgrund der oben dargestellten Problematik und der zunehmenden Nachfrage nach modularen Lösungen reagierte die GIS-Industrie. In einem weitergehenden Ansatz werden die Objektgeometrien ebenfalls in das RDBMS integriert. Dieses Vorgehen bietet den Vorteil, daß alle Eigenschaften des Datenbankmanagementsystems im GIS zur Verfügung stehen. Dazu ist aber eine Erweiterung relationaler DBMS notwendig, da diese in ihrer konventionellen Form für einen GIS-Einsatz nicht geeignet sind, was sich an folgenden Punkten festmacht (ESRI 1997, S. 5):
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Räumliche Objekte werden in Form von x,y-Koordinatenpaaren geometrisch beschrieben. Zur Beschreibung von Linien und Flächen sind dazu unter Umständen mehrere Hundert dieser Wertepaare notwendig, wobei die Länge dieser Liste variiert. Auch die in neueren RDBMS-Versionen zur Verfügung stehenden Arrays für einfache Datentypen können diese variablen Koordinatenketten nur unzureichend erfassen.
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Zur Zugriffsbeschleunigung verwenden Datenbanksysteme sog. Indizes, die einen performanten Zugriff auf die Daten erlauben. Herkömmliche Systeme bieten aber lediglich Strukturen, die den Datenbestand in einer Dimension indizieren können, während räumliche Daten in GIS-Anwendungen über mindestens zwei Dimensionen verfügen.
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Das Abfragemodul konventioneller Systeme bietet zwar Operatoren für die Analyse und Verarbeitung von einfach strukturierten Daten (Summenbildung, Mittelwerte, einfache Vergleichsoperatoren wie größer/ kleiner usw.), aber keine GIS-spezifischen Operatoren wie Nachbarschaftsabfragen, Polygon-Overlay oder Netzwerkanalysen.
Deshalb sind integrierten Geo-Informationssysteme auf Basis von relationalen Datenbanksystemen im kommerziellen Umfeld in Form von Middleware-Produkten realisiert, d.h. zwischen einem konventionellen Datenbanksystem wie Oracle oder Informix und der eigentlichen GIS-Applikation wird eine zusätzliche Software-Ebene eingeführt, die die Verwaltung räumlicher Daten ermöglicht.
Abbildung 7: Server-Datenbank als Middleware
Quelle: ESRI 1998, S.5
Systeme wie SDE von ESRI, SpatialWare von MapInfo, Oracle spatial oder der SICAD Geodatenserver von Siemens erweitern die vom Datenbanksystem angebotenen einfachen Datentypen um räumliche Typen wie Punkte, Linien und Polygone. Zusätzlich werden GIS-spezifische Funktionalitäten wie Bereichsabfragen, Spatial-Joins (Verknüpfung unterschiedlicher Tabellen anhand räumlicher Prädikate) und Editiermöglichkeiten für die geometrischen Daten angeboten. Im Unterschied zu hybriden Systemen sind diese Lösungen reine Datenbankprodukte, d.h. die Visualisierung der Daten muß von entsprechenden Client-Applikationen übernommen werden (SINGER 1991, S.71ff.; ESRI 1998, S. 3ff.).
Die Vorteile dieser Systeme zeigen sich vor allem in Konfigurationen, in denen verteilte Organisationen auf einen zentralen Datenbestand zugreifen (ORACLE 1999, S.1f.):
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Der gleichzeitige Zugriff mehrerer Clients wird vom System synchronisiert und die Vergabe von individuellen Zugangsberechtigungen zu einzelnen Tabellen verhindert unbefugte Manipulationen.
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Durch die Verwendung eines konventionellen Datenbanksystems können bereits bestehende Datenbestände weiter genutzt und um räumliche Informationen erweitert werden.
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Insbesondere im kaufmännischen Bereich, in dem relationale Systeme weit verbreitet sind, können Unternehmen die vorhandene Infrastruktur an Fachinformationssystemen um eine GIS-Komponente erweitern. So zeigt beispielsweise ESRI besondere Aktivitäten, ihre Produkte in die betriebswirtschaftliche Standardsoftware R/3 von SAP zu integrieren. Damit kann GIS als Bestandteil der unter dem Schlagwort „Data Warehouse“ firmierenden Bestrebungen gesehen werden, Daten mit unterschiedlichsten Thematiken und aus bislang inkompatiblen Datenbanksystemen zu erschließen und gemeinsame Auswertungen zu ermöglichen. Dieser Sparte werden enorme Wachtumspotentiale prognostiziert (ESRI 1999).
Dennoch bleiben einige Probleme bestehen, die sich letztendlich auf das Relationale Modell und dessen Reduktion auf atomare Datentypen zurückführen lassen. Die Verwendung eines RDBMS offenbart dessen prinzipiellen Schwächen bei der Modellierung komplexer Systeme. Das tabellenorientierte Konzept eignet sich zwar für einfach strukturierte Anwendungen aus dem administrativen Bereich, zeigt sich aber für GIS-Applikationen als ungeeignet. (GÜNTHER/ LAMBERTS 1994, S. 17f.)
Eine Weiterentwicklung des Datenbankeinsatzes in GIS stellen die Erweiterungen auf der Basis objektorientierter Techniken dar, die im nächsten Kapitel vorgestellt werden sollen. Implementierte Beispiele sind GODOT (GÜNTHER/ RIEKERT 1993), GeO2 (DAVID/ RAYNAL/ SCHORTER 1993), TIGRIS (HERRING 1987), CARIS++ (UNIVERSAL SYSTEMS 1998) und OOGDM (VOIGTMANN 1997). Eine Implementierung mit objektorientierten Ansätzen auf einem proprietären Datenbanksystem bietet SMALLWORLD GIS (HELOKUNNAS 1994, S 1198).
1 Der Begriff „hybrides GIS“ wird auch für Systeme verwendet, die sowohl Raster- als auch Vektordaten verarbeiten können (BREUNIG 1996, S. 4f.). In dieser Arbeit wird aber damit die spezielle Form der Datenhaltung in zwei unterschiedlichen Systemen im obigen Sinn bezeichnet.
© 2014 Zeit in Geografischen Informationssystemen (GIS), Frank Hellwich