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5.3 Konzepte zur Modellierung räumlich-temporaler Objekte

5.3.1 Schnappschußmodell

Das einfachste Datenmodell zur Abbildung räumlich-temporaler Daten ist das Schnapp­schußmodell (Zeitscheiben- / Snapshotmodell). Dazu wird eine temporale Serie von räum­lich festgelegten Schnappschüssen erstellt, die in je einem Layer abgelegt werden. Damit ist dies das einzige Datenmodell, daß zur Darstellung zeitlicher Abläufe in einem konven­tionellen GIS zur Verfügung steht (PEUQUET 1999, S. 93 f.; SWIACZNY/OTT 1999, S87f.; vgl. Abbildung 19).

Abbildung 19: Das Schnappschußmodell

 

Quelle: PEUQUET 1999, S. 93

Während normalerweise ein Layer einen thematischen Aspekt des betrachteten Weltaus­schnitts repräsentiert, wird im Zeitscheibenmodell ein thematisches Attribut im zeitlichen Ablauf diskretisiert. Jeder Layer beinhaltet den gesamten Ausschnitt unabhängig davon, was sich tatsächlich seit dem letzten Schnappschuß geändert hat und ist zeitlich homogen.

Mit diesem Modell kann sehr einfach der Zustand zu einem gegebenen Zeitpunkt ermittelt werden, indem man den entsprechenden Schnappschuß betrachtet. Andererseits ist der Speicherbedarf bei dieser Methode enorm, da jeweils der gesamte Ausschnitt neu aufge­nommen wird. Entsprechend hoch ist auch die Redundanz zwischen den Schnappschüs­sen, da man nicht davon ausgehen kann, daß sich alle Entitäten im Ausschnitt geändert haben und damit viele identische Versionen im System vorgehalten werden. Stehen nicht Zustände sondern Veränderungen im Interesse des Anwenders, müssen diese aufwendig durch sequentielle Vergleiche der einzelnen Zeitscheiben aufgebaut werden. Das Modell enthält diese Information nur implizit. Die Wahl der Zeitpunkte für die einzelnen Schnappschüsse ist dann kritisch, wenn diese so weit auseinander liegen, daß kurzlebige Änderungen nicht dokumentiert werden, da sie genau zwischen zwei aufeinanderfolgen­den Scheiben liegen. Und schließlich läßt sich der Zeitpunkt einer Änderung hier nicht genau bestimmen, da nur sichere Aussagen über den Zustand zu einem Zeitpunkt möglich sind, nicht aber wann dieser Zustand eingetreten ist (PEUQUET 1999, S. 93f.; YUAN o.J., Abschnitt II/1; LANGRAN 1992, S. 38f.).

5.3.2 Raum-Zeit Würfel

In einem Raum-Zeit-Würfel wird die temporale Dimension in der zweidimensionalen Ebene auf einer dritten, orthogonalen Achse abgetragen. Das führt dazu, daß ursprünglich zweidimensional dargestellte Objekte zu echten dreidimensionalen Gebilde transformiert werden. Aus einem Punkt wird somit eine Linie, eine Linie wird zu einer Fläche und eine Fläche wird als dreidimensionaler Körper dargestellt. Hinsichtlich einer Implementierung dieses Modells stellt sich die Problematik, wie topologische Konsistenzbedingungen zu bewahren sind, und ob die Übergänge zwischen zwei Zuständen interpoliert oder in dis­kreten Schritten dargestellt werden sollen (LANGRAN 1992, S. 37; vgl. Abbildung 20)

Abbildung 20: Der Raum-Zeit-Würfel

 

Quelle: LANGRAN 1992, S. 30

5.3.3 Grundkarten mit Überlagerungen

In diesem Modell steht die Erfassung von Veränderungen im Mittelpunkt. Als Basis dient ein Ausgangszustand, der für die Gesamtregion festgehalten wird. Nachfolgend werden lediglich die Veränderungen relativ zu dem unmittelbar vorhergehenden Zustand registriert.

Abbildung 21: Grundkarten mit Überlagerungen

Quelle: LANGRAN 1992, S. 39/ S.40, verändert

Der Vorteil dieses Modells gegenüber den bisher betrachteten Methoden ist in dem öko­nomischen Umgang mit dem verfügbaren Speicherplatz zu sehen. Darüberhinaus erweist es sich vor dem Hintergrund der Anwendungslogik eines temporalen GIS als günstig, zeitliche Verläufe anhand der Veränderungen festzumachen, da diese die zentralen Aspekte nachfolgender Analysen sind (LANGRAN 1992, S. 39ff).

5.3.4 Raum-Zeit-Zusammensetzungen

Das Modell des Raum-Zeit-Zusammensetzungen (Space-time composite) nach LANGRAN/ CHRISMAN 1988 stellt eine logische Weiterentwicklung des zuvor darge­stellten veränderungsorientierten Modells dar, indem ausgehend von einem Basiszustand die Veränderungen zum nächsten Zeitschnitt erfaßt werden. Diese Veränderungen werden aber nicht in separate Layern abgelegt, sondern innerhalb eines Layers miteinander ver­schnitten. Für die Aufnahme jeder Veränderung gilt, daß dieser Teil von der Ausgangs­fläche abgetrennt wird und über eine eigene Historie verfügt, die ihn von den benachbar­ten Flächen unterscheidet.

Abbildung 22: Raum-Zeit-Zusammensetzungen

Quelle: LANGRAN 1992, S. 41

Die Verschneidung wird für jede erfaßte Veränderung wiederholt, so daß die ursprüng­lichen Flächen in zunehmend kleinere Fragmente zerlegt werden. Letztendlich entsteht eine Objektmenge in zwei räumlichen Dimensionen, die räumlich und in ihrem zeitlichen Verlauf eines betrachteten Attributs disjunkt sind (LANGRAN 1992, S. 41 f.; YUAN o.J., Abschnitt II/1).

5.3.5 Bitemporale Objekte

Die räumlichen Grundelemente bitemporaler Objekte (WORBOYS 1998a) sind Simplizialkomplexe, die mit einem sog. bitemporalen Element (BTE, JENSEN/ SOO/ SNODGRASS 1992, S. 2) verknüpft werden, welches die zeitliche Variabilität in den temporalen Dimensionen Datenbankzeit und Weltzeit beschreibt. Damit findet eine geo­metrisch-topologische Zerlegung in Simplexe statt, die in einem weiteren Schritt zu kom­plexen Objekten rekombiniert und mit einem Zeitstempel versehen werden.

Abbildung 23: Bitemporale Objekte

Quelle: WORBOYS 1998a, S.37