Beitragsseiten

 

2.5 Besonderheiten geographischer Daten

Die Besonderheiten, die die Verarbeitung geographischer Daten von der aus anderen Dis­ziplinen wie der Betriebswirtschaft unterscheiden, lassen sich auf zwei Ebenen fest­machen:

  • Räumlich gebundene Informationen an sich beinhalten Eigenschaften, wie sie in anderen Bereichen nicht anzutreffen sind und erfordern deshalb besondere Konzepte, um sie adäquat abzubilden. Diese Betrachtungsebene ist zunächst völlig unabhängig von einer Umsetzung in ein GIS, sondern betrifft die Informationsverarbeitung in der Geographie als solche. Die Darstellung in Form einer analogen Karte ist nur eine Möglichkeit, räumliche Gegebenheiten zu modellieren, und GIS kann in diesem Zu­sammenhang als eine durch die Verfügbarkeit einer neuen Technologie ermöglichte Adaption bekannter Techniken interpretiert werden.

  • In der informationstechnischen Sicht erfordern geographische Daten vor allem auf­grund ihrer Komplexität besondere Implementierungsstrategien, die sie deutlich von konventionellen Informationssystemen unterscheiden.

Eine wichtige Eigenschaft geographischer Daten ist ihre gegenseitige räumliche Ab­hängigkeit oder, wie von TOBLER formuliert: „all things are related but nearby things are more related than distant things.“ (TOBLER 1970, zitiert nach LONGLEY u.a. 1999, S. 7). Dieser Umstand wird in der Geostatistik unter dem Begriff „spatial autocorrelation“ diskutiert (GOODCHILD 1992, S. 402). Einzelne thematische Aspekte einer Landschaft weisen häufig eine hohe Korrelation auf, so daß sie nicht isoliert voneinander gesehen werden können. In diesem Zusammenhang muß die Arbeitsweise in einem Layer-GIS, einen Raumausschnitt in einzelne thematische Bereiche zu untergliedern, immer vor dem Hintergrund gesehen werden, daß damit die Komplexität reduziert wird und nicht unab­hängige Variablen separiert werden (LONGLEY u.a. 1999, S. 8).

Aus systemtheoretischer Sicht stellen räumliche Daten Fakten über räumliche Systeme dar. Dabei sind folgende Besonderheiten festzuhalten (WIRTH 1979, S. 119f.):

  • Räumliche Systeme sind probabilistische Systeme: Insbesondere Modelle aus dem Bereich der physischen Geographie bilden Systeme ab, bei denen die Elemente und deren Beziehungen nicht immer vollständig bekannt sind, und das Modell dient dazu, diese Unsicherheit zu bewältigen.

  • Räumliche Systeme sind komplexe Systeme: Die Komplexität geographischer Frage­stellungen äußert sich quantitativ in der hohen Zahl involvierter Elemente und Be­ziehungen, als auch qualitativ in den ausgeprägten Rückkopplungsmechanismen in­nerhalb der Beziehungen (WIRTH 1979, S. 119f.). In diesem Zusammenhang kann das länderkundliche Schema nach HETTNER 1932 als eine Methode gedeutet werden, diese Komplexität im Sinne einer Modellierung zu reduzieren und die Sichtweise zu­nächst auf einzelne Aspekte zu begrenzen. Erst nach der Zerlegung werden die Ver­bindungen der einzelnen thematischen Aspekte beispielsweise in Form von Ursache und Wirkung wieder hergestellt (z.B. Einfluß der geologischen Bedingungen auf Böden, agrarische Nutzung der Böden, bestimmte Flurformen infolge einer spezifischen Nutzung)

  • Räumliche Systeme sind dynamische Systeme: Räumliche Systeme verändern sich im Zeitablauf. Dies betrifft sowohl die Beziehungen der Elemente untereinander als auch die Systemelemente selbst.

Aus der Sicht der Informatik stellen raumbezogene Daten eine Nicht-Standardanwendung von Datenbankmanagementsystemen dar. Unter Standardanwendungen versteht man die Verwaltung von administrativen Informationen (Personal-, Lohn- und Kundenwesen usw.) wohingegen z.B. CAD und GIS zu den Nicht-Standardanwendungen zu zählen sind (BILL 1991, S. 48f.; vgl. Tabelle 3).

Tabelle 3: Vergleich Standard- und Nicht-Standardanwendungen von DBMS

Standardanwendungen

Nicht-Standardanwendungen

Feste Anzahl Attribute/Objekt

Variable Anzahl Attribute/Objekt

Einfach strukturierte Daten

Komplexe Datenstrukturen

Eindimensionale Schlüssel

Mehrdimensionale Schlüssel

Vorhersagbarkeit der Länge von Attributen und Tupeln

Variabilität der Länge von Attributen und Tupeln

Exakter Match

Unsicherer Match

Einige logische Verknüpfungen

Vielfache logische Verknüpfungen

Leichte Operatoren

Komplexe Operatoren

Kurze, unteilbare Transaktionen auf wenigen Entitäten

Lange Transaktionen auf viele Entitäten

Quelle: BILL 1991, S. 49

Die Daten der sog. Standardanwendungen wie Applikationen im kaufmännischen Bereich sind in der Regel einfach strukturierte Datensätze, die nur wenig Speicherplatz benötigen und die Beziehungen zwischen den Datensätzen sind einfacher Natur. Räumliche Daten zeichnen sich durch ihre komplexe Struktur aus, wobei der Grad der Komplexität variiert. Die geometrische Repräsentation eines räumlichen Objekts kann einmal ein einzelner Punkt sein, während andere Entitäten durch mehrere Polygone dargestellt werden müssen. Dabei kann jedes Polygon aus mehreren hundert Punkten bestehen oder Löcher besitzen (GÜNTHER 1998, S. 51).

Die Geometriedaten in räumlichen Datenbanken benötigen umfangreichen Speicherplatz. Obwohl die technologische Entwicklung auf dem Hard- und Softwaresektor in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielen konnte, erfordert das Datenvolumen besondere Strategien in der Programmierung, um effizient mit räumlichen Daten umgehen zu kön­nen. Dies wird noch dadurch verstärkt, daß mehrere Dimensionen zu berücksichtigen sind. Die Mehrdimensionalität räumlicher Daten bewirkt, daß Abfragen anhand der räumlichen Eigenschaften ungleich aufwendiger sind als auf eindimensionalen Attributen in Standard­anwendungen (GÜNTHER 1998, S. 51).

Über die reine Bewältigung der Datenmenge hinaus stellen sich bei der Handhabung geographischer Informationen auch methodische Probleme. So besteht keine Standard­algebra für räumliche Daten. Dies bedeutet, daß keine einheitlich definierten räumlichen Operatoren in den unterschiedlichen Systemen zur Verfügung stehen, sondern der jeweilige spezielle Anwendungszweck zu unterschiedlichen Ausprägungen führt. Darüber­hinaus sind viele räumliche Operatoren nicht abgeschlossen. Beispielsweise kann der Schnitt zweier Polygone in einem Vektorsystem zu unterschiedlichen geometrischen Er­gebnissen führen: einzelne Punkte, gemeinsame Randlinien oder wiederum Polygone. Diese Problematik ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn Operatoren miteinander verknüpft werden sollen (GÜNTHER 1998, S. 51).


 

© 2014 Zeit in Geografischen Informationssystemen (GIS), Frank Hellwich