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2.3  Sichtweisen des Datenmodells

2.3.1  Datenmodell als Algebra

Der Begriff des Datenmodells ist in der Informatik so definiert, daß darin Modellierungs­konstrukte festgelegt werden, mit deren Hilfe innerhalb eines computergestützten Infor­mationssystems ein Abbild der realen Welt generiert werden kann. Es bietet die Möglich­keit, Entitäten zu beschreiben und legt die anwendbaren Operatoren sowie deren Wirkung fest (KEMPER/EICKLER 1996, S. 19). Die auf relationale Datenbanksysteme angewen­dete Form stammt von CODD (1970) und umfaßt drei Elemente (LEE 1995, S. 4):

  1. Eine Auswahl an Objekten, die die grundlegenden Elemente bilden

  2. Eine Auswahl an Operatoren, mit denen Daten manipuliert werden können

  3. Eine Auswahl an Integritätsbedingungen, die die Gültigkeit der Daten sicherstellt.

Nach dieser Auffassung kann ein Datenmodell mit einer Algebra verglichen werden, da es aus einer Elementmenge, einer Operationenmenge und Regeln, die die Ergebnisse dieser Operationen definieren, aufgebaut ist (KEMPER/EICKLER 1996, S. 976). Demnach lie­fert ein Datenmodell die „Infrastruktur“ für die Modellierung der realen Welt und kon­zentriert sich dabei auf die Abstraktion von Daten. Übertragen auf den GIS-Bereich be­deutet dies, daß ein räumliches Datenmodell eine umfassende Menge an konzeptionellen Werkzeugen bereitstellt, mit deren Hilfe räumliche Daten strukturiert werden können. Dabei werden die Daten beschrieben und die passenden Operationen festgelegt, ohne die Details der Implementierung zu beschreiben (FRANK/ EGENHOFER 1992, S. 976; FRANK/ MARK 1991, S.149).

Die Funktion des Datenmodells im Bereich der Datenbanken besteht darin, Komplexität vor dem Anwender zu verbergen und die eigentliche interne Realisierung zu abstrahieren. Logische Datenmodelle wie das Relationale Modell beschreiben auf einer abstrakten Ebene, wie der Benutzer seine Daten organisieren kann. Wie dies technisch über ent­sprechende Datenstrukturen realisiert ist, kann zwischen verschiedenen Systemen vari­ieren. Hier dient das Datenmodell als Definition einer Schnittstelle, über die der Anwender Daten verwaltet und manipuliert. Diese standardisierte Schnittstelle ermöglicht die Porta­bilität auf verschiedene Hard- und Software-Plattformen, da die logische Sicht auf Daten und die konkrete Umsetzung voneinander entkoppelt sind (FRANK 1992, S. 410; EGENHOFER/ HERRING 1991, S. 229).

2.3.2  Datenmodell als Abstraktion der Realwelt

In der GIS-Literatur wird diese Definition dahingehend erweitert, daß ein Datenmodell ein Abbild der Realwelt in einem GIS darstellt, das durch Daten gebildet wird. Beispielsweise definiert GOODCHILD ein Datenmodell als „a limited representation of reality, constrained by the finite, discrete nature of computing devices.“ (GOODCHILD 1992, S. 401). Dabei wird deutlich, daß die Vereinfachung des Modells in einem EDV-gestützten Informationssystem auch dadurch bedingt ist, daß in einem Rechner alle Elemente in end­licher und diskretisierter Form vorliegen müssen, da Computer formale Systeme sind, die Symbole entsprechend formaler Regeln behandeln (FRANK/ EGENHOFER 1992, S. 976; BITTNER/ FRANK 1997, S.12; HERRING 1992, S. 445).

Die Qualität eines Datenmodells und der darin enthaltenen Datenstrukturen läßt sich mit Hilfe mehrerer Kriterien bestimmen. Die Gewichtung der einzelnen Kriterien variiert dabei in Abhängigkeit des Anwendungszwecks (PEUQUET 1990, S. 258):

  • Vollständigkeit: wie umfassend werden Entitäten und ihre Beziehungen untereinander erfaßt.

  • Robustheit: bis zu welchem Grad kann das Modell mit Sonderfällen umgehen (z.B. können Polygone mit Löchern gebildet werden).

  • Flexibilität: welcher Aufwand ist nötig, das Datenmodell an geänderte Bedingungen anzupassen.

  • Effizienz: wie kompakt können Geo-Objekte dargestellt werden (Speichereffizienz) und wie wirkt sich die Art ihrer Repräsentation auf die Gesamtperformanz der An­wendung aus.

  • Handhabbarkeit: wie groß ist der Aufwand, Daten in diesem Modell aufzubauen.

Beispielsweise würde man bei der Implementierung einer Klimasimulation großen Wert darauf legen, daß das Datenmodell die beeinflussenden Größen möglichst präzise erfaßt und dafür Abstriche bei der Effizienz machen. Bei einem Gewerbeflächen-Auskunfts­system, das über das Internet erreichbar sein soll, hätte die Effizienz oberste Priorität, um den „Flaschenhals“ der Datenübertragung auszugleichen, während die geometrische De­tailliertheit nachrangig wäre.

In der GIS-Praxis ist zu berücksichtigen, daß zwischen der Realwelt und dem Daten­modell in einem GIS noch andere, häufig analoge Zwischenstufen wie Karten oder Luft­bilder stehen. Insbesondere thematische Karten stellen gefilterte und abstrahierte Infor­mationen der Realwelt dar, die durch die Digitalisierung in das GIS übertragen werden (GOODCHILD 1992, S. 402).